Étretat ist okay – eine relative kurze, sehr touristische Altstadtmeile, eine ebenso lange Promenade samt Kiesstrand mit Badebereich inklusive Aufsicht. Alles okay. Aber die Kreidefelsen rechts und links davon und vor allem die Wege dort hinauf und die Klippen entlang sind spektakulär.
Die von stürmischer See umspülten Klippen von Etretat haben zu Beginn des 19. Jahrhunders viele Maler inspiriert. Angefangen hat es wohl mit Eugène Isabey und nach ihm kamen Turner, Boudin und Monet. Die Klippen, besonders der durch Erosion geformte natürliche Brückenbogen, die Arche, auch Porte d’Aval genannt, sowie die Felsnadel Aiguille Creuse (die hohle Nadel) haben den seit der Römerzeit bekannten Fischerort berühmt gemacht. Als Zeugen der Evolution hier an der normannischen Küste ragen die Giganten fast 90 Meter in die Höhe. Der französische Schriftsteller Guy de Maupassant sah im Bogen einen Elefanten, der seinen Rüssel ins Wasser taucht. In der Kalknadel der soll ein französicher König einst sein Gold versteckt haben. Bisher hat niemand diesen Schatz gefunden.
Wir haben 11€ für 24 Stunden bezahlt.
Der Stellplatz befindet sich neben einem Campingplatz (21€/Nacht), dessen Toiletten nicht mitbenutzt werden können.
Für Étretat bedeutete das 19. Jahrhundert den Übergang vom traditionellen Fischerdorf zum Badeort. Aufgrund des sandlosen Kiesstrandes blieb der unzugängliche Badeort zunächst weniger erfolgreich als etwa Trouville-sur-Mer und erst eine Bahnlinie erlöste den Ort aus seiner Isolation. Die Zahl der großen Villen im Stil wie er in den Badeorten vorherrschte wuchs rasch. Nach dem ersten Weltkrieg, als die Lebensbedingungen und Verkehrsmittel sich verbesserten und bezahlter Urlaub üblich wurde, nahm der Tourismus stark zu. Bei der dichten Besiedlung sank dann die Wasserqualität, die Biodiversität und selbst die Luftqualität.
Und heute? Mit neuen Parkplätze versucht die Stadt, den Autoverkehr in den engen Straßen besonders an den Wochenenden und in den Ferien zu veringern, um so das Miteinander von Fußgängern und Kraftfahrzeugen zu harmonisieren. Gleich zu Beginn des Wikipedia-Artikels zu Ètretat lesen wir aber: „Der Ort ist mit Hotels, Restaurants, Souvenirläden sowie vielfältigen Freizeit- und Sportangeboten auf den Tourismus ausgerichtet.“ Wohl wahr. Wenn das auf dem Weg zum Strand auch nervt – ist man erst mal da oder gar oben auf den Klippen, dann ist das alles vergessen. Die Aussicht ist atemberaubend – erst recht bei heftigem Wind, wenn du dich vorsichtig den Felskanten näherst.
Und wenn man dann schon mal oben ist auf der rechten (nördlichen) Seite, dann kann man sich auch die Jardins d'Étretat , die Gärten von Etretat ansehen. Hier auf der Klippe von Amont steht die Villa Roxelane der Schauspielerin Madame Thébault, die das Anwesen wohl in Anlehnung an die rebellische Frau von Sultan Süleyman dem Prächtigen so nannte (das interessantes Paar im WDR Zeitzeichen
).
Das Anwesen bietet einen herrlichen Blick auf die hohle Nadel und die Klippe. 1905 pflanzt Thébault, wohl inspiriert von der Arbeit des impressionistischen Malers Claude Monet, einen Baum in ihrem Garten und damit begann etwas, das 111 Jahre später zu den Gärten von Étretat führte. Der Landschaftsarchitekt Alexandre Grivko, inspiriert von der Flora der normannischen Küste, schuf 2016 unterhalb der Villa einen interessanten Parcour aus Pflanzenskulpturen mit eingebetteten Werken zeitgenössischer Kunst.
Ein paar Meter weiter befindet sich das „Heimatmuseum “ von Etretat mit einem Schwerpunkt zu den beiden Piloten Nungesser
und Coli
, die zwar beide nicht aus Etretat stammten, aber hier das letzte Mal gesehen wurden, als sie 1927 versuchten, als erste den Atlantik im Flugzeug zu überqueren. Traurige Geschichte. Den beiden Piloten ist auch ein eindrucksvolles Denkmal vor dem Museum gewidmet.
Wie viele maritimen Städte verfügt auch Etretat über amüsante Legenden. Da wäre zum Beispiel die von Olive, die uns erklärt, warum die Kirche Notre Dame so weit vom Zentrum des Ortes entfernt liegt: Es geschah zu einer Zeit, als die Heiden in Frankreich einfielen. Eine Frau von seltener Schönheit namens Olive wusch ihre Kleidung an einem Brunnen am Strand, als sie die Boote der „Sarazenen” kommen sah. So nannte man damals alle Ausländer, aber es waren wohl Wikinger.
Das Mädchen lief ins Dorf und betete zu Gott, um nicht in die Hände dieser grausamen Menschen zu fallen. Zum Dank wolle sie dem Herrn eine schöne Kirche mitten in Etretat bauen. Da erhob sich ein Sturm, der die Boote der Sarazenen zurückwarf. Olive hielt Wort und begann mit dem Bau des Gotteshauses. Aber der Teufel, der Etretat damals nicht mochte, trug die tagsüber aufgehäuften Steine bei Nacht an den Fuß des Hügels Saint Clair. Nach einem spirituellen Traum baut Olive die Kirche dann dort.
Der Maler Gustave Courbet , bekannt für ein skandalträchtiges Bild ganz anderer Art, war so beeindruckt von den Wellen an dieser Küste, daß er gleiche Dutzende davon auf die Leinwand gebracht hat. Alle diese »Wellen«-Bilder, deren Besitz offensichtlich ein Ziel jeder modernen Galerie war, entstanden 1869 in Etretat, einige wurden 1870 in Paris vollendet. So eine richtige Sturmwelle würde ich hier gerne mal erleben, aber dazu ist das Wetter momentan einfach zu schön. Aber wir waren sicher nicht das letzte Mal hier.